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Drachenboot
Mondfest
Liang Zhu
S u. F. Demmer
Unterwegs in China
Drachenboot

Jaxing South Lake International Invitational Dragonboat Tournament - Teamgeist, Tapferkeit – und jede Menge Freude!! Sandra und Frieder berichten über ihre Erlebnisse mit dem Shanghai-Shanglong- Drachenbootteam bei einem chinesischen Top-Wettkampf

Es ist neun Uhr Morgens, sommerlich warm, es weht ein zügiger Wind. Über den dunkel bewegten Nanhu hallen chinesische Komandos, die Ufer sind von Zuschauern gesäumt: “San houmian!” tönt es - “Drei zurück”!

Während Bahn drei sich zurück manövriert treibt der Wind unseren Drachen auf Bahn vier seitlich über die Bahnbegrenzung auf das nächste Boot zu. Es herrscht Hochspannung. Die Startzeit ist schon überschritten. Aus dem ersten Vorlauf wissen wir, ab jetzt kann, selbst wenn wir offensichtlich noch daran arbeiten, unser rund 18 Meter langes und rund 1,20 Meter breites Ungetüm seitlich zurück in die Bahnmarkierung zu bewegen, jederzeit ohne weitere Vorankündigung der Start-Schuss ertönen – wer dann nicht bereit ist, hat verloren – gerade bei den 300 Metern.

“Right side drawing, left side pushing” ruft unser Kapitain Andy: ”Get your focus! Be always ready!!”

Wie gesagt: Hochspannung.

“Yi, houmian” – “Eins zurück”, schallt es jetzt. Kleine Entspannung für uns, denn unser Drache steht mittlerweile wieder gut ausgerichtet.

 “Yi, houmian”, tönt es noch einmal. Neben uns muss durch die Pause nun auch das berühmte Guangzhou-Team deutlich genervt seinen Drachen nochmals seitlich versetzen – alle Paddler behalten dabei angespannt die Starter im Blick.

”Resting Position!” ruft derweil Andy – wir gehen in Vorlage, den unteren Arm auf die Bordseite gelegt, so kann man entspannt verweilen und gleichzeitig sehr schnell reagieren – aber das Herz klopft bis zum Hals, denn alles in Dir wartet auf den Start.

“Breathe, get your focus!”

Tiefes Durchatmen. Weiter Spannung.

Dann Andys entscheidender Ruf: “Paddles ready!!” – für Bruchteile einer Sekunde stehen in den sechs Bahnen 120 Paddelblätter zitternd nur Zentimeter über dem Wasser – dann kommt der Schuss und 120 glänzende Holzflächen rauschen mit Wucht nach unten. Weit nach vorne reichend werden die Paddel wie Hacken ins Wasser “geschlagen” und an den gestreckten Armen mit aller Macht zurückgerissen. Rhythmische Rufe tönen, die Trommeln dröhnen, die Drachen erwachen und beginnen sich erst stampfend, dann gleitend aus dem Wasser zu heben. Schlieren verwirbelten Wassers ziehen vorbei.

Vorne in den ersten Reihen werden sie jetzt allmählich dieses eigentümliche, mit dem Schlag pulsierende Zischen der sich durch das Wasser arbeitenden Drachen hören, begleitet von dem kaum zu beschreibenden Geräusch der immer wieder gleichzeitig ins Wasser tauchenden Paddel.

“Zentrum dieses Festivals ist der Geist des Drachenbootfahrens, Teamgeist und Tapferkeit.”, hieß es zur Eröffnung, bevor Offizielle unter allgemeinem Jubel den 12 aufgereihten Drachen der eingeladenen Teams Glückszeichen auf die Köpfe malten – zum Wohle aller Teams.

Das war vor einer Stunde. Jetzt helfen keine Zeichen, jetzt heißt es nur immer wieder nach vorne, immer wieder das Boot durchs, nein aus dem Wasser wuchten. In einem Augenwinkel den Rhythmus der Schlagreihe vorne, im anderen den Partner in der eigenen Reihe – eine Form, ein Schlag, ein Boot. Im Umsetzen trifft ein Paddel auf eine Welle – ein Tropfenregen ergießt sich über die Vorderleute – “Timing!!” tönt es sofort, denn schon hat es eine kleine Verzögerung gegeben, die durch alle folgenden Reihen hindurchgreicht wird. “Timing”. Aber dann ist es wieder da, dieser Push, wenn das Boot im Rhythmus läuft.

“Reach!”, tönt es aus den Reihen: “Reach! Reach!”

”Come on!”, fordert Andy: ”Keep the pace!” Haltet die Schlagfrequenz.

Die besten Boote sind enteilt, mit unglaublicher Präzision hämmern die Stars aus Guangzhou voran, aber zwei Teams sind noch auf unserer Höhe.

”Power guys!! Bring it home!”

“Go! Go! Go! Goooo!!”

Da ist das Ziel. 7 Sekunden schneller als in unserem ersten Lauf. Sofort Blicke zur Seite. Peking? Deutlich hinter uns! Wichtig, weil das einzige andere “Mixboot”. Aber da läuft ja auch noch das Boot der Shanghai Maritime University aus? Die auch hinter uns? Erleichterter Jubel – hauptsächlich erleichterter Jubel, aber auch begeisterter – sollten wir, das Fremden-Boot mit acht Frauen wirklich eines der rein männlich besetzten chinesischen Turnierboot geschlagen haben?

“Excellent Guys! Excellent work!!” – Andy, früher in Canada aktiver Oversea-Chinese ist sichtlich zufrieden.

Die Shanghai Maritime Universtity war dann doch vor uns (wir glauben ja, weil man ihnen einfach diese Schande ersparen wollte...) – aber nur um Haaresbreite. In allen Rennen – auch und insbesondere noch einmal in den abschließenden 4000 Metern, wo wir sogar mit zwei Booten innerhalb einer Minute blieben und Peking weit distanzierten, gelang es uns, Kontakt zu den chinesischen Wettkampfteams zu halten. Das schafft Respekt und brachte umgehend neue Renneinladungen – denn starten darf beileibe nicht jeder.

Der Erfolg war schön, für den Verlauf aber nicht sehr entscheidend, denn ein kleiner Star ist dieses Shanghaier Boot voller Fremder und insbesondere mit bis zu acht Frauen immer. Lange Fernseh-Interviews und Titelbilder in der Lokalzeitung, fortlaufend begeisterte Teambilder mit der Konkurrenz und das Abschlussdiner als eine Art kulinarische Kniebeuge, so häufig hieß es Aufstehen zum wechselseitigen “Ganbei” (“auf Ex..”). Drei komplett gesponsorte Tage mit schönem Hotel mit einem wirklich nicht enden wollenden Reigen chinesischer Köstlichkeiten inklusive Fröschen am Stück, Entenzungen, Babyaalen, Wels u.u.u. ;-). Die Atmosphäre auf der Athleteninsel (als eine längere Pause entstand, begannen die chinesischen Teams wechselseitig mit stets aufs Neue johlender Begeisterung die unterschiedlichsten Kraftproben auszutragen) und auf dem Wasser, die Perfektion und Macht der Top-Boote, denen wir staunend zuschauten, wenn sie Gischt-stiebend über den See flogen, die Eindrücke aus den Rennen selber, wenn bei den 4000 Metern unter wechselnd englisch-chinesischen Drill-Rufen alle in einen Rhythmus fanden – alles in allem ein intensives, buntes, sehr viel lachendes und wirklich wunderbares Erlebnis in einer tollen Mannschaft!

Dragonboating – ein schöner neuer Teil unseres Shanghaier Lebens.

Paddles up!

P.S.: Jiaxing ist eine 3.6 Millionen-Stadt ca. 1.5 Stunden westlich von Shanghai. Nach fast 200 Jahren Pause wurde hier das “Nanhu-Boat-Culture-Festival” vor drei Jahren wieder neu belebt, u.a. mit dem Einladungsturnier für große Drachenboote (20 Paddler) aus ganz China (dieses Jahr u.a. Shanghai, Hangzhou, Guangzhou, Peking, Lijiang). Ein wirklich sehenswertes Festival mit breitem Programmspektrum. Der Wettkampf ist nicht so spektakuär wie das Honkong-Race mit bis zu 150 Teams, aber er ist absolut hochkarätig. Wir waren als Mixboot da eher das bunte Zuckerl – aber eben bunt genug, um neben der hervorragenden Kost und Logis eine für chinesische Verhältnisse beachtliche Startprämie zu kassieren (nicht umgerechnet, sondern per Einkommensniveau auf deutsche Verhältnisse übertragen immerhin ca. 8000 Euro pro Team). Die Top-Boote in den drei gefahrenen Kategorien wären dementsprechend nach glaubhaften Aussagen unserer Insider jeweils alle in der Lage gewesen, in Hongkong zu gewinnen.

Von der Stadt selber sahen wir wenig – fanden auf einem kleinen Bummel aber z.B. völlig eingebaut und als Lagerhalle und für Wohnungen genutzt eine alte, zweitürmige Kirche von beachtlich Ausmaßen – mehr war darüber jedoch nicht heraus zu finden. Später stießen wir dann wiederum auf der Suche nach einem abendlichen Bier auf einen (um halb zehn schon!!) absolut brodelnden Techno-Club mit Live-DJ und Gogo-Dancern: China bleibt überraschend in jeder Hinsicht.

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Frieder Demmer: China-Beratung, Training, Coaching