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S u. F. Demmer
Shanghai Tagebuch
Februar 2002

Penyou Nimen Hao,

Ein halbes Jahr und (k)ein bisschen weise...

Der Februar war ein Monat der Zeitsprünge: Wir durften erstmals chinesisch Neujahr miterleben, Sandra ging (nicht zum ersten Mal) in ein neues Lebensjahr und zudem konnten wir unser erstes Halbjahr in Shanghai verbuchen.

Dass wir in den vergangenen sechs Monaten zweimal Silvester gefeiert haben, ist vielleicht der beste Spiegel unseres augenblicklichen Erlebens.

Ungefähr seit November hat die Zeit hier zu rasen begonnen und wir haben ernsthaft Probleme, Anschluss zu halten. Die verbleibende Zeit im Rahmen des ersten Vertrages (noch 1 ½ Jahre) beginnt allmählich Konturen anzunehmen: Besuche, eigene Reisepläne, Arbeit. Waren wir zuvor in einer ständig etwas unsicheren “Hab-Acht”-Stellung: “Was kommt jetzt?!”, können wir uns die (oder eine) Zukunft jetzt vorstellen und dadurch (mal ganz davon abgesehen ob sie dann so eintritt) scheint es jetzt, als käme diese Zukunft auf uns zu gerannt. Jetzt ist eher so ein Gefühl da: “Das wird alles noch kommen – wie machen wir das bloß?”. Dabei sollen natürlich die vielen interessanten und besonderen Dinge angemessen festgehalten werden, und so sind als eine “erlebnissichernde” Maßnahme zu den wie berichtet nur vereinzelten Fotos der ersten zwei Monate in den folgenden vier jetzt doch so um die 700 farbige “dokumentierte Zeitschnittchen” hinzu gekommen. Dass über 200 davon allein in vier Tagen Peking entstanden sind, unterstreicht eindrucksvoll das Prädikat “sehenswert” für diese Stadt.

Kernerlebnis des vergangenen Monates war denn auch unser Besuch in Peking (Beijing). Der brachte uns neben den wirklich atemberaubenden Kulturdenkmälern bei strahlend-kaltem Winterwetter und flirrendem Massentrubel zum Neujahrsfest leider im Zuge der auch im Westen berichteten Ereignisse erstmals eher unangenehme Begegnungen mit den hiesigen Ordnungskräften. Davon waren wir dermaßen bedient, dass wir die letzten drei Urlaubstage wechselnd schlafend, hustend, schniefend und olympiaguckend im Bett verbrachten – nicht toll. Die schon vorher spürbare Erschöpfung nehmen wir im Übrigen zum Anlass für uns, bis zum Sommer ein Reise-Time-Out zu nehmen. Es ist eh (nur zum Vergleich) schon so, als wären wir in diesem halben Jahr einmal von der Barentsee bis nach Gibraltar getourt ;-).

ABER apropos Olympia: ES IST VOLLBRACHT!!! China hat im Shorttrack-Speed-Skating sein erstes olympische Wintergold errungen! Gut, genau genommen errungen hat es die Dame Yang Yang - aber freuen tun sich alle:-). Endlich müssen die Moderatoren nicht mehr den Medallienspiegel in den dritten Bildschirm scrollen um endlich etwas betreten als “di ershi” (20.) “Zhongguo” zu vermerken und endlich müssen im Anschluss an die Olympiasendungen als Abspann nicht mehr nur die Goldmedalliengewinner von Sydney abgespult werden.

Nochmals apropos Olympia: Große Teile haben wir im Japanischen Fernsehen verfolgt, was uns – ausgehend von Sandras Restkenntnissen - zunehmend fasziniert die japanische Sprache und japanisches Gesprächsverhalten hat studieren lassen. So z.B. das mit dem Brustton der Überzeugung und eifrigem Kopfnicken geäußerte “hai” zur gegenseitigen Bestätigung insbesondere der Moderatoren oder die mit einem “o” versehenen Anglizismen: speedo-skato, stoppo, snowboardo etc. oder den eigentümlichen Klangbogen, den viele japanische Wörter haben: Sehr hart beginnend und dann so sehr offen ausklingend. War nett.

Leider haben weder Japaner noch Chinesen einen wirklich Draht zu den alpinen Disziplinen – den Japanern gefiel zumindest Freestyle und Snowboarden wirklich gut (hat sich jemand angeschaut, was die Snowboarder in der Halfpipe veranstalteten? Da dreht sich einem doch unmittelbar der Magen um). Ost-Asien-Favoriten sind aber eindeutig Short Track und Eiskunstlauf: In aller Ausführlichkeit mindestens drei Mal miterlitten haben wir so auch das Paarlaufdrama und zunächst spontan beschlossen, baldmöglichst unsere eigenen Schlittschuhe aus dem Lager zu kramen, nur um sie dann sofort demonstrativ an den Nagel zu hängen – aber dann zeigte man ja Einsicht... .

In Shanghai haben wir einige nette neue Lokalitäten aufgetan und Sandras Geburtstag genutzt mit dem Zhongshan-Park, dem Jingan-Tempel und dem Jinmao-Building drei heimische Highlights zu erkunden. Der Zhongshan-Park ist eine große, ausgesprochen belebte Anlage, auch weil das  Betreten der Grünflächen ausdrücklich erwünscht ist. Zu diesen Flächen gehört eine große Wiese, die intensiv zum Drachensteigen genutzt wird: Der dementsprechend reichhaltig unfreiwillige Pergamentpapierschmuck der umgebenden Bäume bietet dafür eine sehr nette Kulisse. Ein kleiner Vergnügungspark und die einer Reihe von  Kanälen durch den Park folgende Bootspartie in mehr oder minder mitgenommenen Elektromotorbooten sorgen zudem dafür, dass dieser Park auf eine wirklich freundliche Art entspannend ist, so entspannend, dass nicht wenige Bänke von seelig schlafenden Chinesen belegt sind.

Der Jingan-Tempel liegt an einer der nettesten U-Bahn-Stationen Shanghais, in reizvollem Gegensatz zu spiegelnden Büro-Türmen. Augenblicklich in Erweiterung und Renovierung begriffen wird er traditionell vor allem zum Mondfest aufgesucht – aber selbst außerhalb “der Saison” und im Umbau bietet er noch stimmungsvolle Nischen.

Moderneren Göttern, nämlich vorrangig denen des Geldes und der Ingenieurskunst, huldigt Shanghais 420m-Vorzeige-Wolkenkratzer Jinmao. 88 Stockwerke wachsen in einer elegant stilisierten Bambus-Pagode in den Himmel. In Stockwerk 56 beginnt der Welt höchstes Hotel, das Grand Hyatt Shanghai, in dessen, über 30 Stockwerke hoch von den beleuchteten Zimmerfluren umwundener Lobby man wahlweise Capuccino für 5  - oder Wein für 4000 Euro zu sich nehmen kann. Und in Stockwerk 87 stellt eine Cocktailbar die Schwindelfreiheit ihrer Besucher in jeglicher Hinsicht auf die Probe. Nicht nur ob der schieren Größe ist Jinmao eine echtes Paradebeispiel der Möglichkeiten moderner Architektur.

Auf ein gutes Jahr des Pferdes

Zaijian

Sandra und Frieder

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Frieder Demmer: China-Beratung, Training, Coaching