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S u. F. Demmer
Shanghai Tagebuch
Juli 2002

Nimen hao,

noch ein Woche und wir werden gen Frankfurt starten – unglaublich das! Das erste Jahr ist rum. Shanghai ist unser neues zu Hause geworden. Und so ist es schwer zu beschreiben, wie das ist, in die Heimat zurück zu kommen, wenn sie nicht mehr das zu Hause ist. Wenn man sich eigentlich gerade daran gewöhnt hat, in verschlissenen Taxis an Garagenläden vorbei zu fahren, an das Chaos in den Straßen, die Hitze, daran ständig von fremden Sprachen umgeben zu sein, ein Fahrtziel im Taxi viermal wiederholen zu müssen, bis man die für den jeweiligen Dialekt des Fahrers passende Aussprache gefunden hat (Hu Qing Ping Gong Lu? Fu Qing Ping Gong Lu? Hu Qing Ping Gung Lua? ...), an die bunte Vielfalt der Märkte mit ihren im Sommer leider ungut schwebenden Gerüchen, an die Wäsche über den Bäumen in den Seitenstraßen – kurz, wenn man gerade akzeptiert hat, dass genau so die Welt ist. Wie wird es wohl sein, in die andere zurück zu kommen? Da wo (ok fast) alle Deutsch sprechen, das Wasser auch ohne Filter weder stinkt noch komische Farben hat und Absprachen nicht aus Prinzip “fast vollständig” erfüllt werden, es fast überall in Reichweite Bäume, Wiesen und Wälder gibt, man bei Technik-Einkäufen nicht vorher überprüfen muss ob es überhaupt eine lesbare Anleitung gibt, bzw. überhaupt wieder lesen und Ansagen verstehen kann und bei sonstigen Einkäufen nicht die erste Aufgabe ist, zu klären, ob das Produkt denn “zhen de”, will sagen “echt” ist?

Letztlich glauben wir, dass es sehr schön und trotzdem nicht zum großen “Ich-will-nicht-mehr-zurück-Rückschlag” wird – was allerdings auch vorkommt. Den Abflug nach Deutschland zur ersten Rückkehr nach fast einem Jahr im sehr freudigen aber auch sehr aufgeregten Blick, können wir nämlich hier glücklicher Weise noch einmal auf zwei wirklich tolle Monate zurück blicken. Die Stichworte lauten: Sport, insbes. Drachenboot, Reisen, Theater und Arbeit.

Zum Sport: Seit knapp zwei Monaten haben wir endlich auch unsere “Paddelnische” in Shanghai gefunden, und die heißt: Drachenboot. Ein großer Spass – leider immer Sonntags um 8:00 Uhr beginnend... – man kann nicht alles haben.

Das Training findet in einem Leistungszentrum in einem riesigen Park außerhalb der Stadt auf sauberem Wasser und in leidlich grüner Umgebung statt, wo man dann in der drückenden Hitze dieser Tage nach dem Training einfach zur Abkühlung in den Regatta-See springen kann – das ist dann ungefähr genau so ein schöner Effekt, wie in Deutschland nach Ausdauerfahrten im Winter in die Sauna zu gehen, nur eben umgekehrt. Allein dieses ist das ganze schon Wert, dazu kommen aber noch die schönen Abende mit der Gruppe aus über 10 Nationen. Absoluter Höhepunkt war bisher die Teilnahme an einem (mal von uns abgesehen... ;-)) wirklich hochklassigen Einladungsrennen im Rahmen eines Kulturfestivals in Jiaxing in der Nähe von Shanghai. Rennspannung, ein bisschen Star-Gefühl mit Fernsehen und Zeitungsberichten, viel Atmosphäre und beste Stimmung.

Frieder ist weiter mit dem Viking-Fussball-Team aktiv und nachdem Deutschland glücklicher Weise nicht das WM-Finale gewonnen hat, dort auch wieder gerne gesehen ;-). Die Saison verlief für die Vikings sehr bescheiden (was ein Glück gibt es keine 2. Expat-Liga ...). In zwei Freundschaftsspielen gegen die (nicht DIE!) Südkoreaner, die die “Quasiabsteiger”-Vikings als Prüfstein für ihren Beitritt in eben die einzige Shanghai-Expat-Liga nehmen wollten und ein chinesisches Firmenteam, das gerne gegen ein “West-Team” gepunktet  hätte, konnte zuletzt aber mit überraschenden Kanter- Siegen wieder ein wenig Selbstvertrauen und Freude am Spiel getankt werden.

Zweites Stichwort Theater: Ein herausragendes Konzert, tolle Tanztheater und zum krönenden Abschluss “Les Miserables” als aufwändigst gestalteter Chinapilot von Cameron-Productions mit gemischtem “Best of London and Broadway”-Cast . So wie es aussieht, werden wir dann demnächst noch andere Musicals zu sehen bekommen, denn es war das erste Mal, dass wir das Grand Theatre ausverkauft und mit stehenden Ovationen erlebten (wobei wir sagen müssen, das zumindest zwei unserer bisher gesehenen Aufführungen letztlich gleichwertig, aber eben weniger außergewöhnlich waren). Wie schon im letzten Brief geschrieben entdecken wir Shanghai zunehmend auch von seiner Metropolen-Seite, mit Kultur und buntem Nachtleben.

Bleiben die Stichworte Arbeit und Reisen. Sandra ist das erste Mal durch die Mühlen eines Schuljahresabschlusses an der DSS gegangen mit - neben den Zeugnissen – einer Massierung von Veranstaltungen wie Schwimmfest und Schüler-Theater (“Momo”; sehr schön!) und wiederum organisatorischen Wunderbarkeiten wie Materialcontainer für das kommende Jahr auspacken – das Ergebnis war echte Erschöpfung. Fast wie vor unserer Abreise vor einem Jahr. Aber das verflixte erste Mal mit einer ersten Klasse ist erfolgreich zu Ende gebracht und das ist wiederum ein echter Grund zur Freude.

Frieder macht weiterhin Paar- und Krisen-Beratungen in geringem Umfang, aber die Fälle sind fachlich wie menschlich durchaus fordernd, richtig fordernd hat sich auch eine Zusammenarbeit mit einer chinesischen Firma entwickelt, die aktuell für China computerbasierte Personaltests sowie klassische Personaltrainings erarbeitet. Nach einer ersten Startegieberatung im Herbst ist seit zwei Wochen eine Entwicklungspartnerschaft entstanden, die zwar aktuell kein Geld, aber erstens in der Zusammenarbeit mit einer chinesischen Psychologin sehr tiefe Einblicke in chinesische Arbeitskultur und zweitens mit der Entwicklung englischsprachiger Trainingsprogramme eine echte Herausforderung bietet. Kurz: das ist eine richtig neue und dabei richtig gute Perspektive.

Unsere Reisefreude brachte uns im Mai auf den Yangtze, d.h. wir haben die Schluchten und den Damm gesehen. Da das eine wirklich eigene Geschichte ist verweisen wir wieder auf die Homepage, die sich nach dem 15. Julei weitreichend überarbeitet präsentieren wird!!!

Aktuell nicht toll aber einfach Fakt: Wir haben Regenzeit :-(, die bisher nach allgemeinen Aussagen moderat verlief. Moderat heißt, dass das Wasser nie höher als 10 Zentimeter in den Straßen stand und wir auch durchaus heitere Tage erleben. Der Wechsel von selbst in der moderaten Ausführung nur als “Schütten” zu bezeichnenden Regenfällen mit den Sonnenperioden bei bis zu 37 Grad erweist sich allerdings als eine Art fortlaufender Kreislaufbelastungstest.

Für uns nur anstrengend, kam es in einigen Teilen Chinas jedoch leider wieder zu verheerenden Überschwemmungen mit Hunderten von Opfern. Bei uns wenig registriert gibt statistisch gesehen kaum ein Land auf der Welt, das öfter und härter von Naturkatastrophen heimgesucht wird, als China. Fluten (verwüsten jedes Jahr alleine rund 30 Mio. Hektar Land = gesamt Westdeutschland!!!), Wirbel- wie auch - wie unsere Eltern ja erfahren “durften” - Sand-Stürme, Erdbeben, Erdrutsche, das alles kennt man hier zur Genüge - vielleicht auch ein Grund, warum man in China z.B. den möglichen negativen Auswirkungen des Drei-Schluchten-Dammes recht gelassen begegnet – es wären auch “nur” weitere Katastrophen unter den vielen üblichen... .

Dergleichen Probleme haben wir in Deutschland deutlich weniger – an den “gemäßigten Breiten” ist durchaus was dran. Wie gesagt, da gehts jetzt hin. Viele werden wir in den kommenden Wochen sehen, an alle anderen unsere herzlichsten Grüße und die Erinnerung, dass wir in Shanghai Gästezimmer haben.

In diesem Sinne Zaijian bis ?? –

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Frieder Demmer: China-Beratung, Training, Coaching