Copyright for all contents by Sandra and Frieder Demmer. Jede Art der weiteren Verbreitung nur mit schriftlicher Genehmigung der Autoren.

Ankunft
September 2001
Oktober 2001
Weihnachten 2001
Februar 2002
Mai 2002
Juli 2002
September 2002
November 2002
Januar 2003
April 2003
Juli 2003
November2003
Dezember 2003
Februar 2004
S u. F. Demmer
Shanghai Tagebuch
Februar 2004

Ni hao, Ihr Lieben,

 

gerade ist Weihnachten inklusive unserem letzten Rundbrief vorbei, und nun schon wieder Post aus Shanghai? Gerade den Weihnachtsschmuck abgehängt, sind wir hier schon mitten in den nächsten Feierlichkeiten, den größten unseres Gastlandes: Chinesisch Neujahr. Und das ist Anlass genug, wieder was von uns hören zu lassen, zudem auch, weil wieder eine ereignisreiche Zeit hinter uns liegt.

 

Zunächst war da unser wunderschöner Urlaub in Neuseeland. Auf dem Weg dorthin machten wir zwei Tage Station in Sydney. Sehr beeindruckend für uns, wie viel Lebensqualität eine Vier-Millionen-Stadt haben kann. Sehr nett auch ein Abend bei Streeters, der Gastfamilie von Sandras Bruder, als er vor etwa 16 Jahren (die Zeit vergeht!!) dort im Schüleraustausch war. So flogen wir bestens auf Urlaub eingestimmt weiter nach Christchurch, holten uns dort eine durch Mangel des vorbestellten Mittelklassewagen zum gleichen Preis überlassene 3,5-Liter-Luxuskarosse ab, und los ging es in Ledersitzen mit Zelt im Kofferraum zu Walen und Delfinen, zu einer Seekajaktour im Abel-Tasman-Nationalpark, mit wunderschönen Sandstränden und Robben, die um unsere Boote schwammen, zur rauen Westküste, wo wir, in einem sehr netten Hostel, am Weihnachtsabend im Whirlpool unter freiem Himmel lagen, die meterhohen, donnernden Wellen im Hintergrund, zu strahlend türkisen Seen vor dem majestätischen Mount Cook, und schließlich zum vielleicht drolligsten Erlebnis der Reise: zu den Zwerg- und Gelbaugenpinguinen in Oamaru. Mehr zu all diesen schönen Dingen gibt`s in dem extra Anhang.

 

Silvester verbrachten wir sehr ruhig (wie sich das für in China lebende Menschen gehört, denn das eigentliche Silvester kam ja erst), mit netten neuseeländischen Nachbarn auf einem Campingplatz nahe Christchurch. So kamen wir mit vielen Eindrücken, sehr vielen Dias und gut erholt aus diesem Traumland zurück, in dem man noch viel mehr Zeit verbringen könnte. Shanghai war im Gegensatz dazu schon wieder ein bisschen anders (allein in der Stadt fünf Mal soviel Menschen wie in ganz Neuseeland – da war es schon ein wenig drollig einen Kiwi über den „völlig außer Kontrolle geratenen Moloch“ Auckland schimpfen zu hören...), aber man gewöhnt sich dann doch wieder schnell ein, und man ist schnell wieder erfasst von Shanghais eigenem Drive.

Bezüglich Lebensqualität kann Shanghai sicher nicht mit Sydney mithalten, dennoch sind wir sehr froh, hier gelandet zu sein, gibt es doch noch immer sehr viel anderes und neues zu entdecken und zu erleben.

 

Eine dieser Entdeckung hat postwendend auch unsere Lebensqualität hier erheblich gesteigert: Chinesische Badehäuser – Xi Zao. Ihre Existenz war uns immer bewusst, aber erst kurz vor Weihnachten haben wir uns dann wirklich getraut. Viel zu spät, wie wir jetzt wissen:

 

Hier kann man sich (in den gehobeneren Ausführungen, von denen Shanghai aber einige hat) in der nasskalten Jahreszeit in heißen Salz-, Kohle-, Schwefel-, Kräuter-, Ginseng-, Sprudel- und Rosenblätterbädern verwöhnen lassen (letzteres allerdings witziger Weise nur für Männer, die Badebereiche sind NATÜRLICH getrennt, man trifft sich in reizender Hawai-Wäsche im gemischten Freizeitbereich. Man kann weiterhin saunen und sich mannigfaltig durchwalken lassen – und das Ganze rund um die Uhr und ohne Voranmeldung und Vorbereitung, da man alles Notwendige vor Ort gestellt kriegt. In der Sauna liegt so z.B. immer ein großer Stoß frischer Handtücher bereit, vor der Saunatür steht zudem ein Kühlschrank mit duftenden Erfrischungstüchern und zudem stets ein frisch eingeschenkter Becher Wasser, das ist dann wirklich Entspannung pur. Unbegrenzter Aufenthalt mit Sauna, Bädern und Duschen rund 5 Euro, Fußmassage oder Peeling je weitere 5, und eine Cola, wenn es dann doch nicht nur Wasser sein soll, kostet auch nur 60 Cents. Westler trifft man hier kaum, was sich ändern könnte, da Frieder es sich nicht hat nehmen lassen, diese neue Errungenschaft auch in der Community-Zeitung zu beschreiben.

Nicht beschrieben hat er die Wurfküsse einiger Rosenbeblätterter – den Spaß soll jeder selber haben... ;-)

 

Von Chinese New Year und seinem exzessiven Feuerwerksgebrauch haben wir schon verschiedentlich berichtet, neu war dieses Jahr, das Ganze vom Dach eines Wolkenkratzers beobachten zu können – auf das Feuerwerk herunter zu schauen. Bei klarstem Wetter schlicht überwältigend, fast unwirklich, wie da gewaltige  Funkengarben auch aus engsten Straßenschluchten aufstiegen, man wartete nur darauf, dass eines der angrenzenden Häuser in Flammen aufgehen würde – tat aber keines – zumindest keines in Sichtweite... . Die zugehörige Party fand im 12. Stockwerk statt, was bedeutete, dass Raketen, die in der gleichen Straße abgeschossen wurden, knapp über Augenhöhe detonierten. Auch das muss man mal erlebt haben   ;-).

 

Farben und Licht spielten auch bei zwei kulturellen Ereignissen eine große Rolle.

 

Grandios als mit „Cats“ vergleichbar angekündigt, war das Tanztheater „Wild Zebra“ zwar aufwändig inszeniert, führte aber gegen Ende das chinesische „wer verliebt ist muss sterben“-Thema mit für uns eher komisch deplaziertem Walküren-Pathos und einem über 10 Minuten hinweg ununterbrochen schmerzzitternd weinenden Hauptdarsteller an die Grenze des (für uns!) Erträglichen, nicht wenigen Chinesen schien es indes nämlich trotzdem zu gefallen.

 

Die ebenfalls mit großem Aufwand in Szene gesetzte Dance- und Akrobatikshow, „Stories from Mountains and Rivers“, eine Koproduktion zweier Gruppen aus Peking und Guizhou dagegen war so voll von Ideen, Stimmungen und originellster chinesischer Artistenkunst, dass in Deutschland stehende Ovationen gesichert gewesen wären – hier wiederum zeigte sich das chinesische Publikum nur teilweise hingerissen... .

 

Ansonsten freuen wir uns momentan außerordentlich über die leeren Straßen. Zum Neujahrsfest sind fast alle Firmen geschlossen, Millionen verlassen die Stadt in Richtung ihrer Heimatprovinzen, (allein vier Millionen Wanderarbeiter – um darauf zurück zu kommen: quasi ganz Neuseeland... ), und so sind die üblichen Staus gerade eine Seltenheit.

Wir wussten es für diese Woche sehr zu genießen. Das heißt eigentlich nur Frieder, denn er blieb trotz der Ferien hier, um in Ruhe eine Menge anstehender Arbeit zu erledigen. Sandra dagegen flog für ein paar Tage zu den Karsthügeln von Guilin und genoss dort zum zweiten Mal diese einmalige Landschaft zu Fuß, per Rad und Boot. Durch eine sehr nette lokale Führerin konnte sie auch zwei unterschiedliche Arten von Neujahrsreiskuchen probieren, die dort auf dem Land über einem kleinen Kohlentopf (der in oder vor jeder Behausung steht, um sich zu wärmen) gegart werden. Und als weiteres Leckerchen gab es luftgetrocknete Neujahrswurst, zwar fett, aber ausnahmsweise mal nicht süß, wie Würste hier sonst gerne sind. Trotz etwas regnerischem Wetter also eine sehr schöne kleine Reise.

 

Kurz nach unserem Neuseelandurlaub hatten wir noch Besuch von Friedrichs aus Köln, die uns bei unserer ersten großen Auslandsreise in Nepal in Kathmandu mit Rat und Tat zur Seite gestanden hatten, und es war sehr schön für uns, ihnen nun endlich auch „unsere“ Stadt zeigen zu können – wobei sie mit all ihrer Auslandserfahrung weit weniger Handreichungen brauchten als wir dereinst J - und viel von den vorhergehenden Reisestationen zu erzählen hatten. So war alles sehr schön und entspannt.

 

Noch einmal zurück zum Neujahrsfest. Am 22. Januar begann nach dem Mondkalender das Jahr des Affen, dem die Chinesen deutlich zuversichtlicher entgegen sehen als dem etwas heiklen Jahr der Ziege. Der Affe ist nicht nur ein sehr munterer Geselle mit viel Energie und Tatkraft. Er hat es z.B. auch geschafft, den Tiger, als er auf dem Weg zum himmlischen Herrscher war, aus einer Falle zu befreien. So steigt schon jetzt die Zahl der Vorsorgeuntersuchungen in den Krankenhäusern im Vergleich zum Vorjahr deutlich an, denn ein Kind, das unter diesen Vorzeichen geboren ist – das ist schon verheißungsvoll.

 

Hoffen wir, dass dieses Jahr für uns alle ebenso verheißungsvoll wird. Dass uns in der Neujahrsnacht die Wasserleitung einfror, nehmen wir mal nicht als schlechtes Omen ;-)

So bleibt uns noch der chinesische Wunsch „Xin nian kuai le“ – ein glückliches neues Jahr!

 

Eure Sandra und Frieder

[S u. F. Demmer] [Allgemeines] [Shanghai Tagebuch] [Wohnen in Shanghai] [Arbeiten in Shanghai] [Leben in Shanghai] [Unterwegs in China] [Bilder]

Frieder Demmer: China-Beratung, Training, Coaching