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Honkong – Macao: Zwei ungleiche Schwestern
Sie sind nur knapp 70 Kilometer getrennt. Beide sind sie “Sonderwirtschaftszonen”, die noch bis vor kurzem unter westlicher Kolonialverwaltung
standen und doch sind Honkong und Macao so unterschiedlich, wie man es sich bei zwei so nahe beieinander gelegenen Orten nur vorstellen kann – und in Wirklichkeit noch ein gutes Stück unterschiedlicher.
Auf der einen Seite das in jeder Hinsicht schillernde Honkong, eine pulsierende Metropole, die ihre strahlend blaue Lagune mit einer
Wand von blinkenden Wolkenkratzern eingerahmt hat – ein Anblick, der, das muss man neidlos anerkennen, Shanghais Pudong an Wucht und Glanz bei Weitem übertrifft. Hektisch, eng, aber auch
noch britisch elegant und erstaunlich organisiert.
Auf der anderen Seite Macao, das im ersten Eindruck in teilweise frappierender Langsamkeit sich nicht entscheiden zu können
scheint, ob es lieber von südeuropäischem Charme oder alten chinesischen Mythen träumen will, dann aber – vor seinen absolut sehenswerten historischen Kulissen gar nicht langsam - beim
Grand-Prix (das Monaco der Formel 3), in Spielcasinos und seeehr serviceorientierten Massage- und Saunazentren Hongkongs Geldadel gewaltig zur Kasse bittet.
Beginnen wir mit Hongkong. Das wir Heilig Abend ausgerechnet in Hongkong verbringen würden, hatten wir uns bis zum von der
feuchten Eiseskälte Yangshuos ge- oder vertriebenen Spontan-Kauf zweier Nachtbuskarten nicht träumen lassen. Eigentlich wollten wir in diesem Urlaub gar nicht nach Hongkong, aber China-Reisenden sei
immer eine Planung mit hohen Variations-Toleranzen angeraten. Nachtbus hieß: 14 Stunden auf einer Fläche von 170x40cm – kein Nichtraucherabteil. Aber die Polster waren aller Ehren wert und so
haben wir wirklich geschlafen.
Ganz bestimmt nicht erwartet hatten wir dann in Honkong zwei so außerordentlich schöne, restlos überfüllte Gottesdienste zu erleben.
Wer immer Hongong besucht, die anglikanische St.-John’s-Kathedrale auf Hongkong-Island ist, mit oder ohne
Gottesdienst, einen Blick wert – zumal sie direkt am Weg zur “Peaktram” liegt (die dem Begriff “steil” für den Schienenverkehr neue Dimensionen verleiht). Für Musikfreunde: St. John’s beherbergt eine gewaltige
Digital-Orgel, die vier Manuale und eine Unzahl an Registern mit mächtigen aber dezent verteilten Lautsprechern statt Pfeifen verbindet und von einem exzellenten Organisten bedient wird.
Der Weihnachtsmessenbesuch im portugisisch-katholischen Macao geriet dagegen zur großen Enttäuschung: In der ebenfalls
sehenswerten, 400 Jahre dramatischste Kolonialgeschichte in sich vereinenden Sao Domingos Igreja verlor sich leider nur eine traurige Restgemeinde zu einer wenig erhebenden Veranstaltung.
Zurück nach Hongkong: St. John’s verlassend, steht man mitten im Finanzzentrum Hongkongs u.a. vor der 300-Meter Spiegelfassade
der Bank of China, mit seinem Prismendesign einer der markantesten Wolkenkratzer der Stadt. Wenige Minuten weiter fanden wir uns auf dem Statue-Square von einer Unzahl von Frauen
umgeben, größtenteils philippinische Flüchtlinge, die (illegal) als Haushaltshilfen arbeiten und auf Grund welcher inneren Übereinkunft auch immer ALLE Samstags frei haben (St. Johns betreibt u.a.
Flüchtlingshilfe), nochmals 200m blickten wir in einer Überführung auf die Kartons und Decken “seßhafter” Obdachloser – eine Szenenabfolge, die das Gefühl eines zu schnell geschnittenen Filmes vermittelt.
Was die Flüchtlinge betrifft, so ist es beachtlich, welch zumindest oberflächlich zwanglosen Umgang die Glamourstadt mit ihren wenig glamourösen Gästen gefunden hat – so war unser kurzer Eindruck. Wieviel Druck tatsächlich dahinter steckt,
dass die meisten nur relativ relaxed und wirklich freundlich in soetwas wie Picknickrunden zusammen sitzen, können wir nicht beurteilen – aber es hätte atmosphärisch wesentlich unangenehmer sein können.Was
bleibt sonst: Shopping rund um die Uhr, Millionen am Heilig Abend auf den gesperrten Straßen des Shopping- und Hafen-Bezirks Kowloon, mehr oder minder beachtete und begabte Carroling-Groups und der Besuch auf Lantau, wo der größte Bronze-Buddha unter freiem Himmel zu finden ist – aber das ist eine andere Geschichte
und soll ein anderes Mal erzählt werden. Hongkong, wer irgendwie einen Stop-Over einplanen kann sollte dies tun, etwas oder auch etwas mehr Geld mitnehmen und sich dann einfach ins Gewühl stürzen.
Am ersten Weihnachtstag sind wir dann mit der Jet-Fähre (fast 90 km/h schnell) nach Macao gedüst. Wenn man dann noch eine Fähre
erwischt, deren Scheiben nicht fast blind sind, sicher noch wesentlich lohnender – das hat man aber nicht so im Griff. Davon abgesehen ist die Anfahrt auf Macao mit Fernsehturm und
spektakulären Brücken schon das erste Erlebnis. Am Busverteiler am Pier sollte man irgendeine Ahnung haben, wo man hin will, denn es gibt ebenso viele Busse, wie hilfreiche Geister. Macaos Busnetz
ist zudem ebenso dicht und preisgünstig wie teilweise rätselhaft verschlungen. Wie häufig in China steigt man schließlich einfach ein
und wirft einen irgendwo angeschriebenen Standardfahrpreis von – in diesem Fall speziell in Macao - ein paar “Patacas” in eine Box beim Fahrer und harrt dann der Dinge die da kommen. Dass dieses
Bezahl-Prinzip übrigens nicht nur in Macaos Minibussen, sondern auch in den gesteckt vollen Groß-Bussen in Shanghai funktioniert, gehört zu den wirklichen Wundern chinesischer Gesellschaft.
Obwohl oder gerade weil mit nur 450.000 Einwohnern für chinesische Verhältnisse fast eine Kleinstadt, ist Macao ein
unwahrscheinlich dichtes, vielfältiges Kaleidoskop west-östlicher Kultur – nur der Form halber sei erwähnt, dass sich diese 450.000 auf der mit Abstand engsten entsprechenden Verwaltungs-Fläche
der Welt drängen. In vielfach symbolischer Art und Weise schaut heute allein noch die Fassade der ehemals prächtigen Kathedrale Sao Paolo auf intensiv touristisch erschlossene, teils mediterran
wirkende Altstadtgassen herab (streng kulturhistorisch ist dieses mediterran natürlich bei einer hauptsächlich von Chinesen, Portugiesen und Holländern umkämpften Stadt in Frage zu stellen, aber es war eben so ein Eindruck). Festungen, Residenzen und wohl 90 (!) Kirchen sind weitere
Zeugen reicher aber auch düsterer, vor allem vom Menschenhandel geprägter kolonialer Vergangenheit. Fast übergangslos schließen sich enge, urchinesische Viertel, Wohnblocks, Straßen und Gassen an, die von
Trockenfischhändlern und Handwerksgaragen sowie Schiffsausstattern mit A-Mah-Schreinen in jeder Werkstatt gesäumt sind. A-Mah, eine Fischerstochter mit seherischen Gaben, wird in großen Teilen Süd-Ost-Chinas verehrt, am meisten jedoch in Macao, im “Hafen A-Mahs”. Auf der zu Macao gehörenden Insel Coloane,
die einige wunderschöne Wanderwege bietet, wacht heute eine über 20 Meter hohe Statue über die Geschicke der Stadt und der Gründungstempel Macaos, der an die Rettung einer Dschunke vor
schlechtem Wetter durch die Erscheinung A-Mahs an diesem Platz erinnert, ist ein wirklich besonderer Platz. Das Bild oben rechts stammt übrigens von der zweiten Insel Taipa.
Doch bei aller kultureller Dichte, gibt es einen dritten Gott, dem intensiv gehuldigt wird. Nicht so offensichtlich wie in Honkong,
besser getarnt, aber letztlich ist auch Macao eine Geldstadt, wird es umso mehr, je weiter die Dunkelheit hereinbricht. Dann puschen große Casinos und alle Arten von mit Geld zu bezahlenden
Annehmlichkeiten das Pro-Kopf-Einkommen ins vordere Viertel dieser Welt. Aber diese Erwerbsformen tragen auch dazu bei, dass es in Macao so ab 9:00 Uhr, wenn die meisten Restaurants
schließen und sich die Strassen daher allmählich lehren, zu eigentümlichen Szenen und Stimmungen kommen kann: Es mehrt sich der Anteil eleganter Herren mit ein oder zwei jungen bis sehr
jungen Begleitungen und alleiniger Damen, die noch nach Herren suchen. Ein Abendspaziergang ist auch sonst lang nicht so entspannt wie z.B. in Shanghai.
Dabei tut die Stadt viel dafür, in der Nacht auch anderweitig gut da zu stehen. Ein Glücksfall für uns war da das Macao-Food-Festival.
Vor der wuchtigen Kulisse des Fernsehrturmes wurden an rund sechzig Ständen Spezialitäten aus ganz China und Süd-Ost-Asien angeboten, für je 10 RMB das Portiönchen, oder auch zum Teil die
Portion. Sehr, wirklich sehr gelungen!
Weiterhin gibt es einen extra Macao-Nacht-Rundgang durch die effektvoll erleuchtete Stadt.
Zum Essen sei noch erwähnt, dass Macao ein kleiner Paradiesgarten portugisischer Rotweinauswahl ist und die
Supermärkte auch sonstige europäischen Leckerchen bieten, was uns einen Abend mit Brotzeit und Sat-TV auf dem Zimmer verbringen ließ.
An vielen Plätzen ein echtes Juwel, kommt man an Macaos zweiter, schillernder Identität nicht vorbei – spätestens wenn einen die
Hoteldame im Aufzug beim Einchecken freundlichst darauf hinweist, dass die Sauna doch “mainly for men” sei... . Ein Tipp diesbezüglich (Hotel, nicht Sauna!): Bei Buchung von Honkong aus, gibt es bis zu
30% Rabatt – da kommen sie wieder zusammen, die ungleichen Schwestern, die man dringendst beide gesehen haben sollte.
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