Neuseeland â Traumziel am anderen Ende der Welt
Wie könnte ein Urlaub besser beginnen als von einem kleinen, klippenumrahmten Campingplatz morgens am Horizont Delfine springen zu sehen und abends am
Ufer sich rÀkelnde Robben?
In Deutschland als Reiseziel spÀtestens seit den Achtzigern schlicht Kult, haben insbesondere Wassersportler und Wanderer - neuerdings zudem eine
schnell wachsende Anzahl von Hobbitjunkies - die Reise auf die Doppelinsel am anderen Ende der Welt in den Status eines höheren Lebenszieles erhoben. Die Ausblicke von "Boat Harbour" Nahe Kaikoura
lieĂen trotz Highway und rumpelnder Bahnlinie im RĂŒcken von Beginn an keinen Zweifel aufkommen, dass das kein Zufall ist.
Alle Neuseeland-Pilgerer â ja auch die Freunde von Tolkiens GroĂfuĂzwergen - werden mittlerweile brav mit einer breiten Palette von SpezialfĂŒhrern
bedient.
Die wohl entscheidende Besonderheit der darin beschriebenen Attraktionen ist, dass sie sich samt und sonder in einem Land befinden, das frei von Schlangen,
archaischen Seuchen und fiesem Krabbelzeugs ist, in dem mit Messer und Gabel vorrangig Fleisch, Fisch und Kartoffeln verzehrt werden und in dem eine jederzeit lesbare und (fast immer...)
verstÀndliche Sprache gesprochen wird: Kiwi-Englisch.
Und so leiht man sich am Ankunftstag einen Camper oder ein Auto und entlÀsst sich selbst postwendend in die Leichtigkeit eines Urlaubs, in dem fast
nichts mehr schief gehen kann - aus Shanghai kommend ein geradezu besorgniserregend entspannender GemĂŒtszustand - fĂŒr Kiwis schlicht Lebensphilosophie.
So entspannend, dass es den EilÀndern sogar gelingt, die prinzipiell beachtliche ErdbebengefÀhrdung ihres Landes mit Verwerfungsbesichtigungen und
GeisterstÀdten von einem Schrecken in eine Attraktion zu wandeln, der sie selber mit Galgenhumor begegnen. Wie jener Kneipenwirt nahe Boat-Harbour, in dessen Gastraum gut sichtbar ein Zeitungsartikel prangte,
der eine die Uferkneipe frĂŒher oder spĂ€ter ausradierende Flutwellenkatastrophe ankĂŒndigt: "The wave will come," sagte er: "The next bus to. Shall I stop crossing the road?"
Aber nun zu unserer Zeit in Neuseeland, besser gesagt auf der SĂŒdinsel - ĂŒber die Reize Aucklands und Rotoroas mĂŒssen andere schreiben.
UrsprĂŒnglich von den berĂŒhmten Landschaften angezogen, entwickelte sich fĂŒr uns sehr schnell das (vorrangig) marine Tierleben Neuseelands zur
ĂŒberragenden Attraktion. Ob nun das Schwimmen mit Delfinen, das Blasen ruhender Wale, das wahrhaft herzzerreiĂende Geschrei der "Heuler" in den Seehundkolonien, winzig witzig heimwĂ€rts wuselnde
Zwergpinguine oder majestĂ€tisch unantastbar dahingleitende Albatrosse, kaum ein Tag verging ohne Aug in Aug-Begegnung mit Tieren, die wir bisher gröĂtenteils nur aus ErzĂ€hlungen, Bildern und BĂŒchern
kannten. Manch Attraktion kam dabei ganz unspektakulÀr, beilÀufig daher. So der unwirklich melodisch klare Gesang des kleinen Glockenvogels oder die polyphonen, teilweise an einen kurzgeschlossenen Synthesizer
erinnernden Tonfolgen, die der elsternartige Tui zu erzeugen in der Lage ist - ĂŒberhaupt fĂŒhlte man sich manchmal beim morgendlichen Vogelkonzert im Zelt eher wie im PrĂ€sentationsraum eines Soundlabors als auf
einem Campingplatz.
Es gĂ€be viele weiter Naturepisoden zu erzĂ€hlen: Von den rot aufblitzenden FlĂŒgeln des Bergpapageien Kea, von rasant-beeindruckend auf das Meer
hinausjagenden Formationen von Kormoranen, vom groĂen, dunkel faszinierenden Schatten eines am Strand entlangschwimmenden Rochens, von baumhohen Farnen und undurchdringlichen WĂ€ldern, von meterhoch
hereinrollenden Wellen, die Gischt und Luft urweltlich fauchend aus verborgene Cliff-Höhlen an die OberflÀche pressen.
Aber vielleicht ist es gar nicht gut zu viel zu erzÀhlen. In Neuseeland schreiben Wetter, Tiere und Landschaft eh jeden Tag ganz neue Geschichten.
Viele Landschaftshöhepunkte Neuseelands sind im einzelnen kleiner als man es an anderen PlÀtzen der Welt sehen könnte, es ist die landschaftliche Dichte, die Vielgestaltigkeit, die einen immer wieder inne halten
lĂ€sst. So kann jeder schon mittels kleinster Ănderungen der Reiseroute sein ganz eigenes Bild dieses Landes komponieren.
Daher werden wir auch nicht weiter ausfĂŒhren was wo zu sehen war, sondern damit verbleiben, jedem und jeder, der/die irgendeinen Draht zu naturnahem
Urlaub hat, ans Herz zu legen, den verzĂŒckten Wanderern, Paddlern und RingjĂŒngern zu vertrauen, und Neuseeland einfach auch ganz oben auf die eigene Reisezielliste zu platzieren âselbst wenn es weit weg ist.
Ach, ganz drollig, mancher hatte uns gewarnt, Weihnachten sei Hauptsaison: Aus Shanghai kommend schienen uns die meisten PlÀtze Neuseelands trotzdem
schlicht menschenleer... .
Neuseeland also ein voller Erfolg. Auf dem Hinweg hatten wir uns zudem noch zwei NÀchte Stopover in Sydney gegönnt, was sich auch als wirklich gute
Idee entpuppte:
Viel schöner kann eine Stadt nicht mehr sein. Trotz der vier Millionen Einwohner findet man sich auĂer in Downtown und in ein zwei Satteliten-StĂ€dten
hauptsĂ€chlich umgeben von hölzern-sandsteinernen TerrassenhĂ€uschen auf grĂŒnen HĂŒgeln vor dem Hintergrund blauen Wassers. Und selbst zwischen den Wolkenkratzern der Innenstadt stolpert man immer wieder ĂŒber
viktorianische Prunkbauten, die zu Bestzustand renoviert aber auch so aus einer anderen Welt kommen, dass einige Dias schlicht wie Montagen aussehen. Und wen die Stadt als solche nervt, der ist mit einer
gemĂŒtlichen FĂ€hre in einer knappen Stunde an den nördlichen StrĂ€nden, an denen neben den Bewohnern Sydneys die Surfasse der Welt Sand, Wellen und ein leichtes Leben genieĂen. Sandras Bruder Ralf war hier
dereinst auf Austausch und wir wurden tatsĂ€chlich wankelmĂŒtig ob wir an seiner Stelle nicht einfach da geblieben wĂ€ren â natĂŒrlich nicht ;-), aber es ist schon auĂergewöhnlich.
Wenn Sydney fĂ€llt muss man natĂŒrlich noch was ĂŒber die Oper sagen. Im ersten Augenblick waren wir enttĂ€uscht. Aber je lĂ€nger wir blieben und sahen, wie
dieses Bauwerk aus jeder Perspektive völlig unterschiedliche Formen annahm, wie es tagsĂŒber weiĂ strahlte und im Abend-Licht rosa schien und wir manchmal gar den Wind in die âSegelâ Blasen zu sehen meinten,
da blieb uns nur einzugestehen, dass Sydneys Oper wirklich eines der modernen Weltwunder ist.
Alles in allem, schlicht ein toller Urlaub.
|