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S u. F. Demmer
Unterwegs in China
Peking

Peking - im Fokus der Macht

Grippalen Infekten und anderen unglücklichen Umständen Tribut zollend hatten wir leider nur vier statt sieben echte Urlaubstage in Peking, bzw. wie es hier heißt: Beijing. Chinesische Mauer und die Sommerpaläste waren die prominenten Opfer dieser unfreiwilligen Verkürzung. Allein die trotzdem über 200 gemachten Fotos geben aber eine Ahnung, wie eindrucksvoll diese Stadt tatsächlich ist. Seit 750 Jahren hat hier jeder chinesische Kaiser (oder auch die, die im Hintergrund das eigentliche Sagen hatten) versucht, ihre Vorstellung perfekter Regierung zu verwirklichen. Ergebnis ist die stete Präsenz jenes eigentümlichen Spannungsbogens zwischen dem hochdifferenzierten Gelehrtenstaat und einer vollkommen abgehobenen, an Ignoranz und Verschwendungssucht kaum noch zu übertreffenden Elitegesellschaft. In diesem Wechselspiel wurden Paläste ebenso oft errichtet wie wieder zerstört und als noch besserer Spiegel noch perfekterer Macht wieder errichtet. Jahrhunderte der Planung, Zelebrierung und Konzentration von Macht haben Beijing durch und durch geprägt. Das beginnt mit dem von vier Ringstraßen und einer U-Bahn-Ringlinie geklammerten Schachbrettmuster der fast 40 km durchmessenden Stadt. Das findet seine Fortsetzung in den angesichts der sonstigen Enge unfassbar weitläufigen, konzentrischen Anlagen der großen Altäre für Himmel und Erde, Tiantan und Ditan und gipfelt in der Wucht des Tiananmen, des Platzes des Himmlischen Friedens im Angesicht der “Verbotenen Stadt”, einer Palastwelt, die einen mit jedem durchschrittenen Tor weiter weg vom Alltag, hinein in ihre ganz eigene Welt zieht (wer immer nach Peking kommt, dem sei dringendst empfohlen, sich vorher noch Bertolucci’s “Letzten Kaiser” anzuschauen!).

Aber gleichzeitig bleibt Beijing dabei auch Hohlspiegel chinesischer Lebenswelt, denn so großartig und durchplant die zentralen Anlagen, die ganze Stadt, so völlig anarchisch präsentiert sich dann wieder der Gassenwirrwar der Hutons, der kleinen, traditionellen Hofhäuser der Altstadt, hinter deren ausgemergelten Holztoren man sich sofort jeden, wirklich jeden alt-chinesischen Spuk vorstellen kann. Und in dieser Verdichtung von Lebenswelten ist Peking als Ganzes viel, viel mystischer als Shanghai, meint man immer wieder den Nachhall längst vergangener oder vergessener Mächte zu verspüren.

Natürlich gibt es auch in Peking mittlerweile Spiegelfassaden, Highways und große Malls, aber zu pulsieren beginnt diese Stadt überall dort, wo die Mauern eng zusammenrücken und man neben chinesischen Beschriftung höchstens noch ein paar russische Lettern findet (die einige Straßenzüge tatsächlich bis heute ganz beherrschen).

Übrigens: Auf den stärker touristisch ausgerichteten Märkten werden Kleidung und Andenken trotz in der Regel tatsächlich niedrigerer Grund-Preise häufig zunächst wesentlich teurer als in Shanghai angeboten - Handeln lohnt!! Ein echter Minuspunkt: Die Taxifahrer sind lang nicht so umgänglich wie die Shanghais. Shanghai und Beijing, wer beide gesehen hat, hat wirklich viel davon gesehen, was China war, was es ist und was es sein will.

Unser Erlebnishöhepunkt in Peking war allerdings keines der Bauwerke sondern die Neujahresfeierlichkeiten am Ditan-Tempel. Beijing ist berühmt für seine Straßenküchen. Am Neujahrestag wurden ALLE Straßenküchen der Innenstadt geschlossen und komplett in den Ditan-Park verlagert - zur mit großem Abstand größten Fressstadt, die wir jemals irgendwo gesehen haben. Abertausend von Chinesen verlustierten sich hier an den gebotenen Fastfood-Spezialitäten, die neben gewohntem Huhn, Rind und Tintenfischen auch so ausgesuchte Köstlichkeiten wie Süßkartoffeln, Skorpione, Heuschrecken und Seidenraupen umfassten. Auf dem Ditan-Altar wurde anbei noch ein Historienspiel geboten: “Der Kaiser begrüßt das neue Jahr”. Um dieses zu erleben, musste man jedoch zunächst versuchen, in den Platzkämpfen an den vier Eingangstoren des Altargeländes nicht zerquetscht zu werden. “Ich drängle also bin ich”, ist in China eine tiefere Lebensweisheit, der definitiv nicht immer, aber manchmal dann doch mit beängstigender Intensität gefröhnt wird.

Weitere menschenumwogte Attraktionen dieses Festes waren eine Modenschau (in der Tempelhalle..., wenn da mal nicht der ein oder andere verblichene Ditan-Mönch in anhaltende Grabesrotation verfallen ist), zahllose von Windrädern angetrieben vor sich hin klackernde Minitamburine, heulende chinesische Bambus-Diabolos (eine Art Peitschenkreisel), leuchtend rote Lampions in den Bäumen, bunte Masken und Mützen und natürlich die bei chinesischen Partys offensichtlich obligatorischen Aufblasfiguren - diesmal waren Engelsflügel wieder en Vogue.

Zur besonderen Freude Sandras gab es dann sogar noch ein großes klimatisiertes Zelt mit leuchtend-großen Eisskulpturen, wie man sie aus Harbin kennt.

Alles in Allem sehr bunt, sehr spaßig! Insbesondere weil wir uns in dieses ganze flirrende Spektakel eigentlich nur verlaufen hatten.

Nach diesem erfreulichen Irrweg steuerten wir dann aber doch noch das eigentlich anvisierte Ziel an: den nahe gelegenen Lama-Tempel, was schlicht und einfach eine Wucht von einem Tempel ist, ein echtes Fest aus Formen und leuchtenden Farben. Hier zelebrierten Tausende Chinesen traditionelle Neujahresgebete - so viele Räucherkerzen wie sich dabei in Rauch auflösten bekommt man in Deutschland wohl unter normalen Umständen sein ganzes Leben nicht zum Gesicht.

Wenn wir so munter von Neujahr erzählen könnte natürlich die Frage aufkommen: Was war mit “Sylvester”, also dem “Altjahresabend”? Um es kurz zu machen: Wenig, man könnte auch sagen: Tote Hose. “Silvester” ist für die Chinesen, so wurde uns,  als wir relativ enttäuscht am menschenleeren Tiananmen standen, erklärt, ganz klar ein eher intimes Familienfest, das weitgehend im Haus stattfindet. Einziges Außenspektakel: Knallerei, die dann aber richtig. Wir haben nicht so viel mitgekriegt, weil im Zentrum Pekings Feuerwerk verboten ist. Aber einige “Knaller” erzeugten selbst aus der Ferne wirklich geschützfeuerähnliche Erschütterungen. Erzählungen von Freunden sowie Fernseh- und Videobilder aus Shanghai und Harbin belegen, dass es in einigen Straßen tatsächlich zugeht wie sonst nur auf Schlachtfeldern. Es gibt hier Knallkörper für deren Besitz man in Deutschland sofort in Gewahrsam genommen würde. Das kann man sich wirklich nicht vorstellen. Wer mit Knallern in Deutschland schon ein Problem hat, sollte chinesisch Neujahr tunlichst in einem anderen Land als China verbringen, es klingt über Stunden hinweg wie eine Schlacht, selbst mit Verbot!

 

Zurück zu Chinas Hauptstadt und zu einem kleinen Fazit: Beijing ist auf der einen Seite ein wirklich gewaltiges Monument chinesischer Geschichte, eine Art Gesamtkunstwerk der Macht - aber auf der anderen Seite auch eine immer noch extrem dichte und quicklebendige Stadt, und daher für uns sicher noch einen zweiten Besuch wert (es wurden tatsächlich zahlreiche Besuche).

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Frieder Demmer: China-Beratung, Training, Coaching